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Die Grundirrtümer

12.

Die Grundirrtümer. — Damit der Mensch irgend eine seelische Lust oder Unlust empfinde, muss er von einer dieser beiden Illusionen beherrscht sein: entweder glaubt er an die Gleichheit gewisser Fakta, gewisser Empfindungen: dann hat er durch die Vergleichung jetziger Zustände mit früheren und durch Gleich- oder Ungleichsetzung derselben (wie sie bei aller Erinnerung stattfindet) eine seelische Lust oder Unlust; oder er glaubt an die Willens-Freiheit, etwa wenn er denkt „dies hätte ich nicht tun müssen“, „dies hätte anders auslaufen können“, und gewinnt daraus ebenfalls Lust oder Unlust. Ohne die Irrtümer, welche bei jeder seelischen Lust und Unlust tätig sind, würde niemals ein Menschentum entstanden sein — dessen Grundempfindung ist und bleibt, dass der Mensch der Freie in der Welt der Unfreiheit sei, der ewige Wundertäter, sei es, dass er gut oder böse handelt, die erstaunliche Ausnahme, das Übertier, der Fast-Gott, der Sinn der Schöpfung, der Nichthinwegzudenkende, das Lösungswort des kosmischen Rätsels, der große Herrscher über die Natur und Verächter derselben, das Wesen, das seine Geschichte Weltgeschichte nennt! — Vanitas vanitatum homo.