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Malerei

Malerei ist die Kunst, auf einer Fläche den Schein der Körper und des Raumes durch Farben darzustellen. Die Malerei stellt nur in der zweidimensionalen Fläche dar, und indem sie die eine Dimension opfert, vollzieht sie den Übergang von der künstlerischen Darstellung des Körperlichen durch wirkliche Körper zur Welt des Scheins. Gemalte Dinge haben keine wirkliche Existenz. Auch die zwei Dimensionen der gegebenen Fläche werden in der Malerei nicht als reale Flächen- und Größenverhältnisse beibehalten. Die Farbe hebt die Grenze, die die Fläche bildet, im Scheine auf und läßt uns in einen Raum, der sich vor unseren Augen weit öffnet, hineinschauen, in dem alle Größen nur relativ sind. Während die Plastik sich im ganzen an die in der Natur vorbildlich gegebenen Maßstäbe hält und diese nur leicht erhöht, gibt es in der Malerei keine absoluten Größen, und im kleinsten Rahmen können die größten Gestalten dargestellt werden, eben weil sie nur Schein sind. Die Farbe ist in der Malerei das einzig Reale. Sie gibt Licht, Raum, Gestalt, Zeichnung wieder, selbst da, wo man sich der einfachsten Farben (Rotstift, Bleistift, Kohle, Kreide) bedient. Farbe ist aber Qualität, Wärme, Empfindung. Darum ist die Wirkung der Gemälde meist eine stärkere als die der plastischen Werke, und für die Malerei ist das allgemeine Interesse und Verständnis der Massen größer als für die Bildhauerkunst. Auf der Fläche stellt die Malerei durch Farben sowohl Gestalten im Räume als einen licht- und farbenvollen Scheinraum selbst dar. Sie vereinigt also das künstlerische Können der Baukunst und der Plastik (freilich nur in einer Scheinwelt), und wird zur Darstellung nicht des Einzelnen, sondern der Vielheit und des Zusammenhanges, der räumlichen Beziehungen. Dabei legt ihr die physische Eigenschaft des Stoffes nicht mehr wie in der Plastik Beschränkungen auf, und sie vermag alles Sichtbare in der Natur darzustellen; daher kann die Malerei sich mehr mit Realitäten als mit Abstraktionen abgeben. Doch kann die Malerei auch die von ihr dargestellten realen Objekte zu Trägern von Ideen machen, und der Realismus der Darstellung muß da zurücktreten, wo ein Objekt der rein ideellen Sphäre angehört. Die Aufgaben der Malerei sind sehr mannigfaltige; sie schafft das mythische Bild, die Landschaft, das Blumenstück, das Fruchtstück, das Tierstück, das Stilleben, das Genrebild, das Porträt, das historische Bild usw., und in jedem dieser Zweige sind verschiedene Auffassungsarten möglich. So ist die Malerei unter allen bildenden Künsten die fruchtbarste und wirksamste und hat scharf bestimmte Eigenaufgaben, die sie von der Architektur und Plastik trennen. Plastik und Malerei im Wesen als eine Kunst hinzustellen, wie das Lessing in seinem Laokoon getan hat, ist, trotzdem beide in den allgemeinsten Gesetzen übereinstimmen, kaum angängig. Plastisch ist die in sich geschlossene körperliche Einzelgestalt. Malerisch ist, was körperlich erscheint und in einem reichen und fruchtbaren Zusammenhang mit anderen Dingen steht. Alles über den Menschen hinausgehende Geistige kann in der Plastik nur allegorisch und trausscendent durch den Menschen dargestellt werden. Der Geist und das Leben in der Natur kann dagegen von der Malerei unmittelbar und immanent wiedergegeben werden, wie das in jeder besseren Landschaft der Fall ist. Ihre volle Entwicklung hat die Malerei erst in der Neuzeit gefunden. Vgl. Moser, Das Schönheitsideal in der Malerei. Lpz. 1888. Pfau, Malerei und Gemälde. Stuttg. 1888.