Unendlich - Kant

KANT verbindet den Gedanken des unendlichen Progresses mit dem der Phänomenalität (s. d.) dessen, was als unendlich gedacht wird. Die »Antinomien« (s. d.) löst er so, daß er erklärt, die Welt existiere »weder als ein an sich unendliches, noch als ein an sich endliches Ganzes«, da sie nur Erscheinung (s. d.) ist. Sie ist »nur im empirischen Regressus der Reihe der Erscheinungen und für sich selbst gar nicht anzutreffen Daher, wenn diese jederzeit bedingt ist, so ist sie niemals ganz gegeben, und die Welt ist also kein unbedingtes Ganzes« (Krit. d. rein. Vern. S. 410). »Der Grundsatz der Vernunft also ist eigentlich nur eine Regel, welche in der Reihe der Bedingungen gegebener Erscheinungen einen Regressus gebietet, dem es niemals erlaubt ist, bei einem schlechthin Unbedingten stehen zu bleiben« (l. c. S. 413). »Wenn das Ganze in der empirischen Anschauung gegeben worden, so geht der Regressus in der Reihe seiner innern Bedingungen ins unendliche: ist aber nur ein Glied der Reihe gegeben, von welchem der Regressus zur absoluten Totalität allererst fortgehen soll: so findet nur ein Rückgang in unbestimmte Weite (in indefinitum) statt. So muß von der Teilung einer zwischen ihren Grenzen gegebenen Materie (eines Körpers) gesagt werden: sie gehe ins unendliche« (l. c. S. 415). - »In keinem von beiden Fällen, sowohl dem Regressus in infinitum, als dem in indefinitum, wird die Reihe der Bedingungen als unendlich im Objekt gegeben angesehen. Es sind nicht Dinge, die an sich selbst, sondern nur Erscheinungen, die, als Bedingungen voneinander, nur im Regressus selbst gegeben werden. Also ist die Frage nicht mehr: wie groß diese Reihe der Bedingungen an sich selbst sei, ob endlich oder unendlich, denn sie ist nichts an sich selbst, sondern: wie wir den empirischen Regressus anstellen und wie weit wir ihn fortsetzen sollen. Und da ist denn ein namhafter Unterschied in Ansehung der Regel dieses Fortschritts. Wenn das Ganze empirisch gegeben worden, so ist es möglich, ins unendliche in der Reihe seiner inneren Bedingungen zurückzugehen. Ist jenes aber nicht gegeben, sondern soll durch empirischen Regressus allererst gegeben werden, so kann ich nur sagen: es ist ins unendliche möglich, zu noch höheren Bedingungen der Reihe fortzugehen. Im ersteren Falle konnte ich sagen: es sind immer mehr Glieder da und empirisch gegeben, als, ich durch den Regressus (der Decomposition) erreiche. im zweiten aber: ich kann im Regressus noch immer weiter gehen, weil kein Glied als schlechthin unbedingt empirisch gehen ist, und also noch immer ein höheres Glied als möglich und mithin die Nachfrage nach demselben als notwendig zuläßt« (l. c. S. 416 f.). - Weder anschaulich noch begrifflich ist uns die Weltgröße bestimmt gegeben. »Ich kann demnach nicht sagen: die Welt ist der vergangenen Zeit oder dem Raume nach unendlich. Denn dergleichen Begriff von Größe, als einer gegebenen Unendlichkeit, ist empirisch, mithin auch in Ansehung der Welt, als eines Gegenstandes der Sinne, schlechterdings unmöglich. Ich werde auch nicht sagen: der Regressus von einer gegebenen Wahrnehmung an, zu allem dem, was diese im Raume sowohl als der vergangenen Zeit in einer Reihe begrenzt, geht ins unendliche. denn dieses setzt die unendliche Weltgröße voraus. auch nicht: sie ist endlich. denn die absolute Grenze ist gleichfalls empirisch unmöglich. Demnach werde ich nichts von dem ganzen Gegenstande der Erfahrung (der Sinnenwelt), sondern nur von der Regel, nach welcher Erfahrung ihrem Gegenstande angemessen, angestellt und fortgesetzt werden soll, sagen können« (l. c. S. 420 f.). - Die Welt hat »keinen ersten Anfang der Zeit und keine äußerste Grenze dem Raume nach«. »Denn im entgegengesetzten Falle würde sie durch die leere Zeit einer- und durch den leeren Raum anderseits begrenzt sein. Da sie nun als Erscheinung keines von beiden an sich selbst sein kann, denn Erscheinung ist kein Ding an sich selbst, so müßte eine Wahrnehmung der Begrenzung durch schlechthin leere Zeit oder leeren Raum möglich sein, durch welchen diese Weltenden in einer möglichen Erfahrung gegeben wären. Eine solche Erfahrung aber, als völlig leer an Inhalt, ist unmöglich. Also ist eine absolute Weltgrenze empirisch, mithin auch schlechterdings unmöglich.« »Hieraus folgt denn zugleich die bejahende Antwort: der Regressus in der Reihe der Welterscheinungen, als ins Bestimmung der Weltgröße, geht in indefinitum, welches ebensoviel sagt, als: die Sinnenwelt hat keine absolute Größe, sondern der empirische Regressus... hat seine Regel, nämlich von einem jeden Gliede der Reihe, als einem Bedingten, jederzeit zu einem noch entfernteren (es sei durch eigene Erfahrung, oder den Leitfaden der Geschichte, oder die Kette der Wirkungen und ihrer Ursachen) fortzuschreiten« (l. c. S. 421). »Aller Anfang ist in der Zeit, und alle Grenze des Ausgedehnten im Raume. Raum und Zeit aber sind nur in der Sinnenwelt. Mithin sind nur Erscheinungen in der Welt bedingterweise, die Welt aber selbst weder bedingt, noch auf unbegrenzte Art begrenzt« (l. c. S. 422. s. Teilbarkeit. vgl. De mund. sens. sct. V, § 28. WW. I, 293. Krit. d. Urt. § 26. vgl. Raum, Zeit). In seiner vorkritischen Periode lehrt Kant die Unendlichkeit der Welt (WW. I, 23. I, 292 ff.). Nach SAL. MAIMON sind die Unendlichkeitsbegriffe »bloße Ideen, die keine Objekte, sondern das Entstehen der Objekte vorstellen«, »Grenzbegriffe«, entstehend durch einen Regressus (Vers. üb. d. Transcend. S. 28). Wir denken die unendliche Zahl durch Sukzession, der absolute Intellekt aber simultan (l. c. S. 228, 237). -


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