Agostino Caracci

Caracci, Agostino, Maler und Kupferstecher, der Bruder des Annibale, geb. 1558 zu Bologna, gest. 1601 zu Parma, wurde von seinem Vater, einem Schneider, zum Goldschmied bestimmt, aber sein Oheim, Lodovico Caracci, flößte ihm eine solche Liebe für die Kunst ein, dass er sich derselben zu widmen beschloss und unter der Leitung von Prospero Fontana darin auch gar bald sehr große Fortschritte machte. Um sich aber in allen Zweigen der zeichnenden Künste auszubilden und zu vervollkommnen, erlernte er bei Dom. Tibaldi die Kunst in Kupfer zu stechen, bei Bart. Passerotti das Zeichnen mit der Feder und bei dem Bildhauer Antonio Minganti das Modellieren, so dass er schon als zwanzigjähriger Jüngling, sowohl in Bildern von eigener Komposition, als durch einen Kupferstich der Anbetung der Könige, nach Peruzzi, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog. Neben diesen künstlerischen Studien beschäftigte er sich zu gleicher Zeit mit den Wissenschaften, und er erwarb sich in ganz kurzer Zeit auch als Mathematiker, Rethoriker, Musiker und Dichter einen geachteten Namen, Eigenschaften, in welchen er der ganzen Schule der Caracci voranleuchtete. Diese Liebe zu den Wissenschaften und Neigung zum Umgang mit gebildeten Personen, erregte den Neid seines Bruders Annibale, der selbst wenig Bildung genossen hatte und nur in Gesellschaften von Personen unter seinem Stande ein Vergnügen fand. Sie lebten daher in beständiger eifersüchtiger Uneinigkeit und da um dieselbe Zeit die unehrlichen und ungerechten Angriffe der Gegner des künstlerischen Strebens der Caracci immer erbitterter wurden und Lodovico Nachteile daraus für die beiden Neffen fürchtete, so riet er letzteren sich einige Zeit von Hause zu entfernen und nach der Lombardei zu begeben, um dort die Werke des Correggio und der venezianischen Meister zu studieren. Agostino reiste nach Parma und von da nach Venedig, wo er durch unablässige Übungen in der Zeichnung immer mehr erstarkte und einige Kupferstiche nach eigenhändigen Kopien von dortigen Meisterwerken in der damals sehr geschätzten Art des Corn. Cort ausführte, die ihn bereits als Meister in diesem Fache ankündigten. Ins Vaterland zurückgekehrt, leitete er, als ein Mann von gelehrter Bildung, in der von seinem Oheim mit ihm und seinem Bruder gegründeten Akademie den theoretischen Unterricht in der Anatomie, der Perspektive und den ändern zur Malerei erforderlichen Wissenschaften. Außerdem las er den Schülern Geschichten und Fabeln vor, erklärte sie und ließ Zeichnungen danach machen, die an gewissen Tagen dem Urteile Sachverständiger unterworfen und mit Preisen gekrönt wurden. Diese Preise bestanden im Ruhm. Die Gekrönten wurden von Dichtern im Liede gepriesen; Agostino mischte sich mit der Zither unter sie und sang beifällig die Fortschritte seiner Zöglinge. So wurde die Schule der Caracci nicht nur vom Solchen, die sich zu Künstlern ausbilden wollten, sondern auch von wissenschaftlich gebildeten Männern und der vornehmen Welt besucht, und binnen kurzer Zeit die berühmteste in ganz Bologna.  

Unter die ersten Arbeiten des Agostino auf dem Felde der Malerei nach seiner Rückkehr waren einige mit seinem Vetter und Annibale ausgeführte Friese im Palast Fava, Szenen aus dem Leben des Jason darstellend. Sodann malte er eine Tafel mit der Geburt Christi und zwei Propheten für die Kirche S. Bartolommeo di Reno, eine Himmelfahrt Maria für S. Salvatore und das viel gerühmte Abendmahl im San Michele in Bosco zu Bologna. Außerdem führten die drei Caracci gemeinschaftlich noch mehrere andere Malereien in den Palästen Magnani, Tanara, Zampieri u.s.w. zu Bologna aus. Von Agostino rühren in letzterem Palaste: der Raub der Proserpina und die Klage der Ceres, Herkules und Atlas, und Herkules und Cacus her. Als hierauf die Karthäuser zu Bologna ein Gemälde verlangten und mehrere Maler einluden, Zeichnungen dazu zu liefern, um die vorzüglichste auszuwählen und dem Urheber die Ausführung zu übertragen, wurde Agostino in dieser Preisbewerbung seinem Bruder Annibale vorgezogen, wodurch die Eifersucht des Letzteren auf den Ruhm Agostino's so heftig entbrannte, dass er ihn unter allerlei Vorwand zu überreden suchte, in der Kupferstecherkunst fortzufahren und die Malerei aufzugeben, eine Bitte, welcher dieser auch, vielleicht nur zu willfährig, entsprach. Jenes Bild ist die Kommunion des heil. Hieronymus, jetzt in der Pinakothek zu Bologna, ein Gemälde, dem man zwar die Absichtlichkeit der Komposition ansieht, das jedoch in trefflicher Charakteristik durchgeführt ist und in der Ausführung des Einzelnen viel Gutes enthält. Agostino griff also wieder zum Stichel und führte mehrere treffliche Blätter nach Gemälden von Tintoretto unter dessen eigenen Augen, andere dagegen nach Bildern von Paolo Veronese, Baroccio, Vanni u.s.w. aus, die wegen ihrer immer höheren Vollkommenheit immer größere Bewunderung erregten. Die Liebe zu seinem Bruder gab ihm jedoch, trotz aller bittern Erfahrungen über dessen Künstlerneid gegen ihn, später abermals den Pinsel in die Hand. Annibale hatte nämlich von dem Kardinal Odoardo Farnese den seinem Vetter Lodovico zuerst angetragenen, von diesem aber ihm zugewiesenen großen Zyklus von Freskomalereien im Palast Farnese zu Rom übernommen und er bedurfte zu deren Ausführung Agostino's tätige Unterstützung. In Gesellschaft begaben sie sich demnach beide nach Rom und unternahmen die Arbeit. Agostino malte die Galathea auf dem Meere in Begleitung von Nymphen und Amoretten*), und Aurora, welche den von ihr geraubten Cephalus auf ihrem Wagen umarmt, leistete auch seinem Bruder, besonders was dichterische Ideen und die Erfindung der Gemälde anbetraf, bedeutende Hilfe. Da gewann in Rom das Urteil immer mehr Verbreitung, die Gemälde Agostino's seien anmutsvoller und poetischer als die des Annibale. Diese Kritik erboste den letzteren abermals so, dass er seinen Bruder unter dem Vorwand sein Stil sei zwar elegant, aber nicht groß genug, von der Arbeit entfernte. Agostino, innig bewegt wegen der neuen Trennung von Annibale, verließ Rom, seinem Bruder den Kranz der Ehre, an welchem ihm ein so großes Teil gebührte, allein überlassend, aber die Abreise ging ihm unendlich zu Herzen. Er verlor die heitere Stimmung des Geistes, die ihn stets begleitete, und erlangte sie nicht wieder. Auf die Empfehlung des Kardinals Farnese begab er sich an den Hof des Herzogs Ranuccio von Parma. Das erste Bild, das er dort malte, war das Porträt des Herzogs in kriegerischer Kleidung. Ihm folgte ein anderes Bildnis seines Mäzens, aber in betender Stellung in einem Votivbild, das man lange Zeit in der Kirche Madonna di Ronciglione sah. Darauf führte er im Palazzo del Giardino für den Herzog einige Freskobilder, die himmlische, die irdische und die käufliche Liebe aus, er konnte dieselben jedoch nicht mehr zu Ende bringen, denn der Tod übereilte ihn, als sie bis auf eine Figur fertig waren, die auch auf Befehl des Herzogs nicht mehr ergänzt wurde.   

 

*) Abgebildet in den Denkmälern der Kunst. Atlas zu Kuglers Handb. der Kunstgesch. Taf. 94, Fig. 1.



Inhalt:


Agostino Caracci - Werke: Wien, München, Paris, Neapel, Parma

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